hit me up wenn ich mal wieder poetisch sein soll
Die ganze Story
Digitale Sendepause
und verlorener Kontext
Die Idee dieser Arbeit entstand an einem sonnigen Morgen im August 2022. Während meiner Teilnahme an einem Kunstsymposium habe ich mich von der digitalen Welt isoliert und meine Konzentration auf die Entstehung neuer Prozesse gelegt. Nach einer Woche digitaler Sendepause setzte ich mich mit meinem Telefon und einem Kaffee in ein Baumhaus des Ateliergartens um auszuschließen, dass es wirklich wichtige Nachrichten gab.
Ich begann mit den neusten Nachrichten und arbeitete mich in die älteren vor. Während ich schnell zwischen unterschiedlichen Absendern hin und her wechselte, merkte ich, wie die einzelnen Nachrichten ihren Kontext verloren und sich beim Lesen ihre Bedeutung veränderte. Es entstanden abstrakte Gedankenfetzen mit anderer Wirkung und pointierte Aussagen mit neuer Kraft. Um den Moment zu archivieren, öffnete ich mein Notizbuch und schrieb die Nachrichten mit der außergewöhnlichsten Wirkung auf.
Herausgerissene Buchseiten
und drei perfekte Zufälle
Ich riss die beschriebenen Seiten aus dem Buch, legte alle einzeln auf den Arbeitstisch und starrte sie an. Als ich gedankenversunken mein Telefon auf dem Tisch ablegte, entdeckte ich einen lustigen Zufall: Das Display hatte die identischen Maße und Kurvenradien wie die herausgerissenen Buchseiten. Ich hatte also eine digitale Nachricht auf ein durch Zufall exakt gleich großes manuelles Medium übertragen.
Noch bevor ich mir weitere Gedanken zu meinen Notizbuchseiten mit fremden Worten machen konnte, ereignete sich der zweite Zufall: Ich stolperte in den Atelierräumen über eine alte Schreibmaschine. Spontan trennte ich leere Seiten aus meinem Buch, schob sie in die Maschine und tippte einige der handnotierten Nachrichten ab.
Als ich die Buchseiten aus der Schreibmaschine nahm und sie auf kleine Karten legte, die ich zu Testzwecken mehrfach mit schwarzer Tusche bestrichen hatte, entdeckte ich einen weiteren perfekten Zufall: Die schwarzen Tusche-Karten waren exakt einen Zentimeter größer als die Seiten und bildeten einen stabilen Untergrund und Rahmen für das filigrane Papier.
20 Prototypen
und Geschichten in fremden Köpfen
Ich beschäftigte mich mit der Schreibmaschine, experimentierte mit den Buchseiten und untersuchte die Wirkung verschiedener reflektierender Acrylfarben. Schließlich entschied ich mich dafür, das Papier mit einer Klammer auf der Karte zu befestigen und an eine Wand zu hängen. Als kleine Besonderheit bemalte ich die Rückseite der Karte mit neon-orangener Farbe, wodurch die Wand hinter der Notiz orange zu leuchten begann.
Gegen Ende des Aufenthalts zeigte ich meine ersten 20 Prototypen und erhielt wunderbares Feedback. Einige Gespräche zu der Arbeit waren außergewöhnlich lustig, ehrlich oder traurig. Ich bekam das Gefühl, in den Menschen etwas wachsen zu sehen. Ich filterte die Nachrichten auf meinem Telefon, und übergab sie anderen Köpfen, die etwas vollkommen Neues daraus machten – Kopf für Kopf.
Fabrikneue Schreibmaschinen
und Nachrichten aus der Vergangenheit
Ich begann, die Serie auszuweiten und entwickelte eine Edition mit Nachrichten aus dem Jahr 2023. Ich wollte für diese neue Reihe das Schriftbild erhalten, hatte jedoch keinen Zugriff mehr auf die Maschine aus 2022. Zu meinem Erstaunen fand ich eine seit fünfzig Jahren unbenutzte, exakt baugleiche Olympia Carina 2 und kaufte sie.
Die Buchstaben waren, im Gegensatz zu denen der ersten Serie, filigran und absolut perfekt gezeichnet. Der vollkommen andere Stil der fabrikneuen Schreibmaschine inspirierte mich dazu, die Rückseite der Karten mit neon-grüner Farbe zu bemalen und den Unterschied zur ersten Serie noch deutlicher zu machen.
Noch während ich die zweite Edition umsetzte, erhielt ich einen Anruf von einem alten Freund. Er erzählte mir, dass seine Mutter verstorben war und ihm eine Carina 2 hinterlassen hatte – die er mir für mein Projekt schenken wollte. Diese emotionale Situation inspirierte mich dazu, in meinen Verläufen so weit zurückzugehen, dass ich Nachrichten aus der Zeit zitieren konnte, zu der seine Mutter noch lebte. So entstand die Edition 2021 mit einer neon-gelb leuchtenden Rückseite und 65 Notizen aus der Vergangenheit.
aber jetzt nicht weich werden
Der Mensch dahinter
Das erste Puzzleteil
war die Fotografie
Ich bin Raffaele und freue mich, dass Du meine Verlaufnotizen gefunden hast und ihnen bis hier hin gefolgt bist. Nachdem ich Dir weiter oben erzählt habe, wie die Idee geboren wurde, möchte ich Dir die Möglichkeit geben, noch ein bisschen weiter in die Entstehung einzutauchen. Denn noch bevor die ersten Prototypen ihren Weg in die Welt fanden, legte ich innerlich immer mehr Puzzleteile zusammen – die eine Basis bildeten.
Als ich 2010 ein Fotografie-Studium begann, entwickelte ich eine große Liebe für die inszenierte Fotografie. Heute arbeite ich parallel an mehreren fotografischen Werkreihen, die ich ausstelle und in Fotobüchern zugänglich mache. Nach vielen Jahren in der Welt der Fotografie erkannte ich jedoch, dass meine Begeisterung für andere Kunstformen weiter wuchs und sich meine Interessen ausweiteten.
Mit Worten
neue Welten erschaffen
Seit meiner Jugend interessierte ich mich für das geschriebene Wort. Meine Begeisterung galt allerdings nie den ausformulierten Geschichten bekannter Bücher. Mich fesselte der freie Interpretationsspielraum von Songtexten und Gedichten. Es ging um Momente, in denen ich Welten erschaffen und dem Funken einer fremden Idee folgen konnte – so wie ich es mit meinen Fotografien anderen Menschen ermögliche.
Viele Jahre habe ich versucht, einen steuerbaren Zugang zu geschriebenen Worten zu finden. Erst als ich mich sehr intensiv mit Texten zu meinen Fotobüchern beschäftigte, entwickelte sich in mir ein Verständnis für die Funktionsweise von Worten. Ich lernte mit Ihnen umzugehen wie mit meiner Kamera und den Regeln der Fotografie.
Gute Gefühle
und ein Zuhause für meine zweite Liebe
Ich bin sehr glücklich über die Zufälle, die zu meiner Serie Verlaufnotizen geführt haben. Die Umstände haben meiner zweiten Liebe ein Zuhause gegeben, in dem sie weiter wachsen kann. Es fühlt sich großartig an, die Notizen mit der Welt zu teilen und zu sehen, wie sich ihre Bedeutung in jedem Kopf neu bildet.
Die Fotografie war lange das Einzelkind in meinem Leben – bis jetzt. Selbst nach zwei Jahren Arbeit an den Verlaufnotizen bin ich immer noch so begeistert wie in den ersten Sekunden der Entstehung und freue mich über jedes weitere Puzzleteil, das in meinem Kopf seine Lücke findet.
das wird schön heute!
Ausstellungen
Das Projekt lebt mit Menschen. Es basiert auf den Worten anderer und ist in einer Umgebung entstanden, in der ich mich ständig austauschen und an der endgültigen Form arbeiten konnte. Alles an dieser Arbeit ist darauf ausgerichtet, sie live zu erleben, sich um sie herum zu bewegen und darüber zu sprechen. Nichts würde besser zu ihr passen, als ein sympathischer Ort für eine Ausstellung.
Ganz egal, ob Du eine Buchhandlung, ein Museum, einen Kunstverein, eine Galerie, ein Einzelhandelsgeschäft, einen Kunstort führst oder eine freie Wand in Deinem Wohnzimmer hast – ich freue mich über jede Verbindung, die mir hilft, meine Verlaufnotizen in der realen Welt zu zeigen. Schreib mir eine Nachricht und lass uns gemeinsame Ideen verwirklichen.
Alle aktuellen Ausstellungstermine und vergangenen Ausstellungen findest Du unter dem Menüpunkt Ausstellungen.